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Robert Habeck oder warum jedem Ende ein Anfang innewohnt

  • wolframs2004-blue
  • 17. Sept.
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 19. Sept.


Team Robert, das sich im letzten Wahlkampf um den Kandidaten der Grünen zusammengefunden hatte, ist traurig. Denn Robert Habeck hat sich nach den Bundestagswahlen trotz einer deutschlandweiten online-Petition mit über 400.000 Unterschriften aus der ersten Reihe der Politik zurückgezogen. Und seit 1. September 2025 nun auch aus der hinteren Reihe. Er hat den Bundestag verlassen, weil er (taz) „nicht wie ein Gespenst über die Flure laufen will.“ 35% der Deutschen, so eine Umfrage Ende August 2025, finden das schade. Aber warum haben ihn dann so viel weniger (11,3%) im Februar gewählt?


Die Antworten darauf sind nicht alle angenehm


1)      Die Grünen sind beliebt – seit ihrer Gründung waren sie mit ihren Strickpullis, Sportschuhen und frechen Sprüchen (Kindermund tut Wahrheit kund) fast durchgehend unterhaltsam. Und haben sie nicht auch für wichtige Themen gekämpft? … also für Themen, die irgendwie, eigentlich und meistens wichtig sind? Ihre größten Umfrageerfolge haben sie seit Jahrzehnten bezeichnenderweise immer genau dann, wenn es keine Bundestagswahlen gibt. 2019 hat das in den Europawahlen im Zwischenhoch mal für knapp über 20% gereicht. Wenn es wichtig wird, wählen die satten, nicht sonderlich veränderungswilligen Menschen in diesem Land hingegen regelmäßig die ruhige Hand. Der deutsche Deal lautete seit langem: Grün reden – gerne. Grün handeln – eile mit Weile. Keiner hat diesen Deal besser verkörpert als Angela Merkel. Die Welt mit ihrem Klimawandel, ihren Kriegen und Krisen beschert uns viele Zumutungen. Politik, die an den Urnen Erfolg haben will, tut aber lieber so, als könne sie uns davor bewahren.

 

2)      Der Zeitgeist hat sich verändert. Der Wind weht nach rechts und den Grünen ins Gesicht. Die politische Kultur, die lange stark von ihnen geprägt wurde mit den Themen Umweltschutz, Feminismus, Weltoffenheit, kulturelle Vielfalt und demokratischer Pluralismus und – ja – Frieden hat sich gründlich verändert. Begriffe wie „naive Gutmenschen“, „Veggyday-Partei“ (für den Vorschlag, dass Kantinen einmal in der Woche fleischfrei sein sollen), Verbotspartei, Transgenderwahn, Verspargelung der Landschaft (durch Windräder), Multikulti (versus deutsche Leitkultur), Chaos um Heizungsgesetz, „gefährlichste Partei Deutschlands“ (Sarah Wagenknecht, weil die Grünen für eine Ukraine und eine Bundeswehr sind, die sich verteidigen können) oder einfach „linke und grüne Spinner“ (Friedrich Merz kurz vor den Wahlen) waren und sind gegen sie gemünzt. Aufdrucke auf T-Shirts wie „fck AFD“ werden seit einiger Zeit schon mit „fck grn“ gekontert. Dieser Kulturkampf mit all seinen Übertreibungen und Lächerlichmachungen schlägt durchaus um in offene Gewalt. Die Grünen sind die Partei, die davon nachweislich deutlich häufiger betroffen ist als alle anderen. Fatalerweise ist das aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist: Der Kulturkampf mit all seinen Aufregern lenkt ab von wichtigeren, entscheidbareren Themen. Was haben die Grünen diesem gar nicht mal so neuen, rechten Zeitgeist in den letzten 10 Jahren entgegengesetzt? Warum so wenig?

 

3)      Und schließlich der Wahlkampf – möglicherweise Roberts ganz persönliche (Teil-) Antwort auf diesen Zeitgeist. Ein sympathischer Mann warb mit Freundlichkeit, Authentizität, Menschlichkeit, Fairness, Ehrlichkeit, Kompromissbereitschaft, Zuversicht und Nachdenklichkeit. Durchaus präsidial. Warum eigentlich nicht? Mit welchem Ergebnis?... naja... Anders als viele – Robert eingeschlossen - meine ich allerdings nicht, dass es ein Wahldebakel war. Die ehemaligen Ampelkoalitionäre verloren 9,3 (SPD), 7,1 (FDP) und 3,1 (Grüne) Prozentpunkte. K.O. für die FDP. Die SPD schwer angeschlagen. Die Grünen kamen mit einem blauen Auge davon. Die Wähler waren eben durch mit der Ampel. Wenn drei sich streiten, freuen sich der vierte und die fünfte. Es lag aber auch daran, dass die Grünen und Robert mit ihrem staatstragend vorgetragenem Wahlkampf auf eine politische Mitte zielten, die man nicht mehr treffen konnte.  Wie ein Schwarm Schmetterlinge war diese Mitte vor den letzten Wahlen hochgeflogen, ein Teil hat sich links niedergelassen, der größere rechts. Und schließlich und endlich lag es daran, dass konsequenzenlos gelogen wurde. Kandidat Merz warf der Ampel wieder und wieder vor, Deutschland auf unverantwortliche Weise in die Neuverschuldung zu treiben. Dabei waren wenige Dinge klarer als die Notwendigkeit dafür. Merz der Kanzler machte die Neuverschuldung dann ohne mit der Wimper zu zucken zu seiner aller-aller-ersten Handlung nach der Wahl.


Die Parolen der Stunde und die Erfolgsrezepte für Wahlen in Deutschland lauten somit offenbar: Eile mit Weile, Polarisierung und was-kümmert-mich-mein-Geschwätz-von-gestern. Können die Grünen daraus etwas lernen? Sollen sie daraus überhaupt etwas lernen? Jedenfalls ist nicht nur offen, wohin die Reise von Robert Habeck geht, sondern auch, wohin die Reise der Grünen geht.

War da noch was? Ach ja, da waren die Abschiedsinterviews Roberts in der taz und bei Markus Lantz. Dort überraschte der sonst immer so verbindliche Robert als er mit Markus Söders „fetischhaftem Wurstgefresse“ und mit Julia Klöckners Rolle als Bundestagspräsidentin abrechnete („Sie hat immer nur polarisiert, polemisiert und gespalten. Insofern war von Anfang an klar, dass sie eine Fehlbesetzung ist.“). Wie konnte er nur, der liebe Robert?


Ein Teil der Presse ist sich denn auch ziemlich einig. „Größtes Talent seiner Generation macht sich frei – und tritt zum Abschied nach“ (ntv). Ein „Gekränkter“, ein „Abschied ohne Würde“ (Rheinische Post). Bild redet von „Pöbelei" - die kennen sich da ja aus. Die „Welt“, die sich seit langem auf Habeck-Bashing eingeschossen hat, meint, er sei „sehr nett, sehr gebildet und politisch eine komplette Null.“ Und außerdem: „Diese Katastrophe (Habeck als Kanzler) ist uns erspart geblieben.“ Da wird also mit dem Abrechner abgerechnet.


Interessanter finde ich einen Kommentar im Spiegel: „Robert Habecks Abschied wirft die Frage auf, ob die Grünen künftig stärker auf Polarisierung und Parodie setzen sollten. Der Blick in die USA zeigt: Wer dem rechten Zeitgeist trotzen will, braucht mehr als nur Argumente.“

Hmm, vielleicht war es tatsächlich nicht nur ein kräftiger Tusch zum Abschluss, den Robert da gespielt hat. Vielleicht sagt uns sein Ausbruch, dass er erkannt hat, dass die Rationalität, Nahbarkeit, Ruhe und Geduld seines politischen Wirkens nicht so weit geführt haben wie sie hätten führen können und sollen. Vielleicht zeigt sein Ausbruch, dass er etwas gelernt hat? Dass noch etwas dazu kommt. Dann könnte es auch ein Anfang gewesen sein. Oder, Robert?

 

 
 
 

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